Der Arbeitgeber ist verpflichtet dem Betriebsrat darüber Auskunft zu geben, bei welchen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern des Betriebes eine Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen oder mehr innerhalb der zurückliegenden zwölf Monate eingetreten ist oder bereits vorgelegen hat.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat darüber zu unterrichten, welche Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer des Betriebes ihrerseits die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements beantragt haben.
ArbG München, Beschluss vom 16.04.2010, 27 BV 346/09
Auszug aus dem Beschluss:
Dem Betriebsrat steht der Auskunftsanspruch gemäß § 80 Abs.2 S.1 BetrVG zu. Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Die Informationen des Arbeitgebers sollen den Betriebsrat in die Lage versetzen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich für ihn Aufgaben ergeben und ob er zur Wahrnehmung dieser Aufgaben tätig werden muss, so BAG st. Rspr. (beispielsweise 08.06.1999, 1 ABR 28/97, NZA 1999, Seite 1345 f.), wobei eine Unterrichtungspflicht auch schon dann besteht, wenn der Betriebsrat prüfen will, ob er tätig werden kann und soll (BAG v. 09.07.1991, AP Nr. 94 zu § 99 BetrVG).
Gemäß § 80 Abs.1 Nr.1 BetrVG hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass zugunsten der Arbeitnehmer geltende Gesetze und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Entsprechend § 84 Abs.2 S.6 und 7 SGB IX hat die zuständige Interessenvertretung im Sinn von § 93 SGB IX darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt und ggf. ein entsprechendes Klärungsrecht.
Vorliegend schlossen der Arbeitgeber und der Betriebsrat am 11.12.2008 darüber hinaus die Betriebsvereinbarung zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Gemäß § 3 der Vereinbarung "findet die Betriebsvereinbarung für alle Mitarbeiter Anwendung, die innerhalb von zwölf Monaten länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Darüber hinaus können Mitarbeiter von sich aus jeder Zeit ein betriebliches Eingliederungsmanagement beantragen.
Aus der Verpflichtung, die sowohl im § 84 Abs.2 S.7 SGB IX als auch verallgemeinert in § 80 Abs.1 Nr.1 BetrVG enthalten ist, über die Einhaltung des Sozialgesetzbuches IX zu wachen, ergibt sich der Auskunftsanspruch des Betriebsrats.
Nur dann, wenn dem Betriebsrat bekannt gemacht wird, ob Mitarbeiter die Voraussetzungen des § 84 Abs.2 S.1 SGB IX erfüllen, mithin innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind oder ob sie von sich aus ein betriebliches Eingliederungsmanagement beantragt haben, kann er darüber wachen, dass der Arbeitgeber die ihm zukommende Verpflichtung erfüllt, bei dann einzuholender und bei Vorliegen der Zustimmung der betroffenen Person, das betriebliche Eingliederungsmanagement so durchzuführen, wie es in der Betriebsvereinbarung verabredet wurde.
Dieser Auskunftsverpflichtung stehen datenschutzrechtliche Gründe nicht entgegen.
Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch den Arbeitgeber ist zulässig, soweit dies durch das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift erlaubt ist oder angeordnet wird oder der Betroffene eingewilligt hat (§ 4 Abs.1 BDSG).
Der Arbeitgeber ist gemäß § 84 Abs.2 SGB IX berechtigt, personenbezogene Daten zu erheben, da er Krankheitszeiten innerhalb eines Jahres von einem Beschäftigten zum einen beschaffen und zum anderen speichern muss, um seiner Verpflichtung nach § 84 SGB IX nachzukommen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, wenn denn der Arbeitnehmer zustimmt. Hierzu ist der Arbeitnehmer im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses gemäß § 242 BGB auch verpflichtet die Erhebung und Speicherung der personenbezogenen Daten zu dulden, da nur so der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen kann.
Die Weitergabe der vom Betriebsrat geforderten Daten ist auch erforderlich, um die Einhaltung des § 84 Abs.2 SGB IX zu sichern. Der Betriebsrat benötigt die Daten, Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres, da nur mit diesen Daten überwacht werden kann, ob die Einleitung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements bezogen auf alle betroffenen Arbeitnehmer auch durch geführt wird.
Der Betriebsrat ist nicht Dritter im Sinne des § 3 Abs.8 S.2 BDSG. Er ist nicht außerhalb der verantwortlichen Stelle im Sinn von § 3 Abs.7 BDSG. Dies entspricht heute der allgemeinen Meinung, vgl. BAG v. 11.11.1997, Az.: 1 ABR 1997, Rn. 29 m.w.N. zur Rspr. und Literatur.
Die Zuleitung der geforderten Daten ist mithin keine unzulässige Weiterleitung an Dritte. Wollte man der Auffassung des Arbeitgebers folgen, liefe das Kontroll- aber auch Initiativrecht nach § 84 Abs.2 S.7 bzw. S.6 SGB IX leer. Ohne Kenntnis der "Sechs-Wochen-Daten" kann der Betriebsrat auch nicht die Einleitung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verlangen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber unter Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes und in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.11.1997, den Interessenvertretungen ein quasi "inhaltsleeres" Initiativ- und Kontrollrecht eingeräumt hat. Die Aufgabenzuweisung in § 84 Abs.2 S.7 SGB IX, die Einhaltung der Arbeitgeberverpflichtung zu überwachen, entspricht den Vorgaben in § 80 Abs.1 Nr.1 BetrVG, dient der Rechtskontrolle und beinhaltet weiterhin wie in § 80 Abs.2 S.1 BetrVG niedergelegt, die Unterrichtungsverpflichtung über die Arbeitnehmer, die die Voraussetzungen für eine Eingliederungsmaßnahme, weil mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig, erfüllen.
Der Auskunftsanspruch besteht weiterhin, soweit die Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs.2 der Betriebsvereinbarung von sich aus die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements beantragen.
Der Betriebsrat hat darüber zu wachen, dass die Betriebsvereinbarung eingehalten wird. Da in § 3 Abs.2 der Betriebsvereinbarung zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs.2 SGB IX geregelt ist, dass Mitarbeiter von sich aus jeder Zeit ein betriebliches Eingliederungsmanagement beantragen können, hat der Arbeitgeber auch hier eine Auskunftsverpflichtung dahingehend, welche Arbeitnehmer einen entsprechenden Antrag gestellt haben, damit der Betriebsrat prüfen kann, ob der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach §§ 4 ff der Betriebsvereinbarung nachkommt.
Soweit der Arbeitgeber auf datenschutzrechtliche Gründe verweist, ist auf die Ausführungen oben zu verweisen. Ergänzend ist auszuführen, dass nach Auffassung der Kammer in dem Antrag des Mitarbeiters ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, eine Zustimmung zur Weitergabe der Information "es wurde ein Antrag auf Durchführung gestellt" beinhaltet sein dürfte. Den Anträgen war mithin stattzugeben.