1. Ob und in welchem Umfang die Benutzung betrieblicher Kommunikationseinrichtungen wie Internet und Telefon zu privaten Zwecken arbeitsvertragswidrig ist, richtet sich primär nach den arbeitsvertraglichen Regelungen.
2. Fehlt eine solche Regelung, so kann der Arbeitnehmer in der Regel berechtigter Weise von einer Duldung derartiger Handlungen in angemessenem Umfang ausgehen.
Die Parteien streiten um den Anspruch der Klägerin auf Auszahlung ihrer Vergütung und das Bestehen von Gegenansprüchen des Beklagten wegen privater Telefon- und lnternetnutzung durch die Klägerin. Die Klägerin war zwischen 01.01.2001 und 30.09.2002 mit einem Verdienst von zuletzt 1.943,00 € brutto als Anwaltsgehilfin in der Kanzlei des Beklagten tätig, die dieser in Bürogemeinschaft mit der Rechtsanwältin B führte. Die Klägerin führte während der Arbeitszeit vom Büro aus mehrfach private Telefonate. Während der Urlaubsabwesenheit des Beklagten im August 2002 nutzte sie zudem in der Arbeitszeit seinen Internetanschluss zu Privatzwecken. Während des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin weder zum Ausgleich für die anlässlich der Privatgespräche entstandenen Telefonkosten herangezogen, noch wurde ihr deswegen eine Abmahnung erteilt.
Der Arbeitgeber ist berechtigt, zur Feststellung eines Kündigungssachverhalts den Browserverlauf des Dienstrechners des Arbeitnehmers auszuwerten, ohne dass hierzu eine Zustimmung des Arbeitnehmers vorliegen muss. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.
Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung einen Dienstrechner überlassen; eine private Nutzung des Internets war dem Arbeitnehmer allenfalls in Ausnahmefällen während der Arbeitspausen gestattet. Nachdem Hinweise auf eine erhebliche private Nutzung des Internets vorlagen, wertete der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Arbeitnehmers den Browserverlauf des Dienstrechners aus. Er kündigte anschließend das Arbeitsverhältnis wegen der festgestellten Privatnutzung von insgesamt ca. fünf Tagen in einem Zeitraum von 30 Arbeitstagen aus wichtigem Grund.
Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung für rechtswirksam gehalten. Die unerlaubte Nutzung des Internets rechtfertige nach Abwägung der beiderseitigen Interessen eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Hinsichtlich des Browserverlaufs liege ein Beweisverwertungsverbot zu Lasten des Arbeitgebers nicht vor. Zwar handele es sich um personenbezogene Daten, in deren Kontrolle der Arbeitnehmer nicht eingewilligt habe. Eine Verwertung der Daten sei jedoch statthaft, weil das Bundesdatenschutzgesetz eine Speicherung und Auswertung des Browserverlaufs zur Missbrauchskontrolle auch ohne eine derartige Einwilligung erlaube und der Arbeitgeber im vorliegenden Fall keine Möglichkeit gehabt habe, mit anderen Mitteln den Umfang der unerlaubten Internetnutzung nachzuweisen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.01.2016 – 5 Sa 657/15
Pressemitteilung Nr. 9/16 vom 12.02.2016
Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten.
Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen. Die 1967 geborene Klägerin war - unter Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten - seit 1991 bei ihr beschäftigt. Zuletzt war sie im Getränkemarkt des Einkaufsmarkts G tätig. Im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung erzielte sie einen monatlichen Bruttoverdienst iHv. 1.406,92 Euro. In dem Markt beschäftigt die Beklagte insgesamt weit mehr als zehn Arbeitnehmer, für die ein 7-köpfiger Betriebsrat errichtet ist.
In dem Getränkemarkt waren drei Kassen eingerichtet. Über eine Kasse erfolgte die Leergutannahme. Soweit sie nicht zu besetzen waren, wurde den Kassen der Geräteeinsatz mit dem Wechselgeld entnommen. Ursprünglich wurden die Einsätze im zentralen Kassenbüro des Einkaufsmarkts aufbewahrt. Das brachte es mit sich, dass die Kassenmitarbeiter des Getränkemarkts den Einsatz bei Dienstantritt im Kassenbüro abholen und nach Dienstschluss dorthin zurückbringen mussten. Im Kassenbüro erhielten sie auch das Wechselgeld. Diese Gänge entfielen ab Mitte August 2009, nachdem die Beklagte im Getränkemarkt einen Tresor für die Aufbewahrung der Einsätze und des Wechselgelds hatte installieren lassen.
Das Unionsrecht steht einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen, die für den Fall des Todes des Arbeitnehmers die Abgeltung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub ausschließen.
Die Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung sieht vor, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat und dass dieser Urlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf.
Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 83/14 vom 12.06.2014, C-118/13, Gülay Bollacke ./. K+K Klaas & Kock B.V. & Co. KG
Auskunftsansprüche aus § 34 BDSG müssen hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO sein. Dazu reicht die Formulierung eines Auskunftsbegehrens "aus vorgelagerten Dateien und Datenbanken" nicht.
Auskunftsansprüche aus § 34 BDSG können nicht "ins Blaue" geltend gemacht werden. Es muss vielmehr ausreichend dargelegt werden, dass tatsächlich personenbezogene Daten gespeichert sein könnten.
Können personenbezogene Daten durch Einblick in den eigenen E-Mail-Account selbst ermittelt werden, ist das Verlangen einer entsprechenden Auskunft in Textform rechtsmißbräuchlich.
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 29.01.2013
Auszug aus dem Urteil:
Gemäß § 34 BDSG ist der Arbeitgeber auf ein entsprechendes Ersuchen des betroffenen Arbeitnehmers hin verpflichtet, kostenlos (§ 34 Abs.8 S.1 BDSG) und grundsätzlich schriftlich bzw. in Textform (§ 34 Abs.6 BDSG) mitzuteilen, welche personenbezogenen Daten gespeichert sind, zu welchem Zweck die Speicherung erfolgt und an welche Personen und Stellen seine Daten weitergegeben werden. Auch gesperrte Daten unterliegen der Auskunftspflicht. Werden Angaben über die Herkunft der Daten gespeichert, sind diese im Hinblick auf externe Stellen oder Personen mitzuteilen (Gola/Schomerus, BDSG, 11.Auflage 2012, § 34 Rn.10), sowie auch die Empfänger der Daten. Empfänger der Daten sind hier Dritte, interne Stellen, denen die Daten zur Verfügung gestellt werden und auch Datenverarbeiter im Auftrag. Das Auskunftsrecht gehört zu den unabdingbaren Rechten des Betroffenen (§ 6 Abs.1 BDSG). Adressat des Auskunftsverlangens ist der Arbeitgeber (ErfKom- Franzen, 13.Auflage 2013, § 34 BDSG Rn.1). In bestimmten Fällen (§ 34 Abs.7 BDSG) besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht.
Unerlaubte Privatnutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Diensthandys, um auf dessen Kosten heimlich umfangreiche Privattelefonate zu führen, kann ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs.1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein.
Unerlaubte Privatnutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses kann u.a. dann ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs.1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein, wenn das Betriebsmittel unberechtigt in Anspruch genommen wird und hierdurch zusätzliche Kosten entstehen.
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 10.12.2012, 17 Sa 1037/12
Auszug aus dem Urteil:
Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist im Rahmen einer zweistufigen Prüfung zu beurteilen. Im Rahmen des § 626 Abs.1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.
Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt ferner das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt dann vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde zukünftig den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Aus diesem Grund setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Die Abmahnung dient in diesem Zusammenhang der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann in der Regel davon ausgegangen werden, es werde auch künftig zu weiteren Vertragsverstößen kommen. Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil bei der Anwendung des Prognoseprinzips. Sie ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Soweit ein steuerbares Verhalten betroffen ist, muss der Kündigung grundsätzlich eine erfolglose Abmahnung vorausgehen, es sei denn, sie ist nicht erfolgversprechend oder es handelt sich um eine schwere Pflichtverletzung, bei der dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Handelns ohne Weiteres ebenso erkennbar ist wie der Umstand, dass eine Hinnahme seines Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen im Bereich der auf verhaltensbedingte Gründe gestützten außerordentlichen Kündigung.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet dem Betriebsrat darüber Auskunft zu geben, bei welchen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern des Betriebes eine Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen oder mehr innerhalb der zurückliegenden zwölf Monate eingetreten ist oder bereits vorgelegen hat.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat darüber zu unterrichten, welche Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer des Betriebes ihrerseits die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements beantragt haben.
ArbG München, Beschluss vom 16.04.2010, 27 BV 346/09
Auszug aus dem Beschluss:
Dem Betriebsrat steht der Auskunftsanspruch gemäß § 80 Abs.2 S.1 BetrVG zu. Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Die Informationen des Arbeitgebers sollen den Betriebsrat in die Lage versetzen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich für ihn Aufgaben ergeben und ob er zur Wahrnehmung dieser Aufgaben tätig werden muss, so BAG st. Rspr. (beispielsweise 08.06.1999, 1 ABR 28/97, NZA 1999, Seite 1345 f.), wobei eine Unterrichtungspflicht auch schon dann besteht, wenn der Betriebsrat prüfen will, ob er tätig werden kann und soll (BAG v. 09.07.1991, AP Nr. 94 zu § 99 BetrVG).
Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz findet auf freiwillige Lohnerhöhungen nach einer selbst gegebenen Regelung des Arbeitgebers auch dann Anwendung, wenn der Arbeitgeber zwischen seiner Stammbelegschaft und den auf Grund eines Betriebsübergangs übernommenen Arbeitnehmern differenziert.
BAG, Urteil vom 14.03.2007, 5 AZR 420/06