Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Klage eines Rechtsanwalts abgewiesen, der sich gegen die strategische Telekommunikationsüberwachung im Jahre 2010 durch den Bundesnachrichtendienst gewandt hat.
Nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ist der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seiner Aufgaben berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Bei der sogenannten strategischen Telekommunikationsüberwachung werden bestimmte internationale Telekommunikationsbeziehungen anhand vorher festgelegter Suchbegriffe durchsucht. Nach dem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums wurden dabei aufgrund der im Jahre 2010 verwendeten Suchbegriffe (3 752 Suchbegriffe im Bereich „Internationaler Terrorismus“, 26 147 Suchbegriffe im Bereich „Proliferation und konventionelle Rüstung“ sowie 634 Suchbegriffe im Bereich „Illegale Schleusung“) 37 Mio. „Treffer“ erzielt, die weiter bearbeitet wurden. Sie betrafen fast ausschließlich den E-Mail-Verkehr. Von den sogenannten Treffern wurden schließlich 213 (davon zwölf E-Mails) als nachrichtendienstlich relevant eingestuft.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Mitglied verschiedener (deutscher und internationaler) Anwaltsorganisationen. Nach seinen Angaben kommuniziert er seit vielen Jahren per E-Mail häufig mit ausländischen Mandanten, Kollegen und anderen Gesprächspartnern, vielfach in Angelegenheiten, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen. Er müsse damit rechnen, dass auch seine anwaltliche Korrespondenz erfasst und gelesen worden sei. Der Kläger hält die Vorschriften des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses für verfassungswidrig, soweit sie die strategische Telekommunikationsüberwachung betreffen, weil sie nicht geeignet seien, die Menge insbesondere der erfassten E-Mails wirksam auf das Maß zu begrenzen, das für eine legitime Auslandsaufklärung erforderlich sei. Jedenfalls hätten die im Jahre 2010 verwendeten Suchbegriffe wegen ihrer Weite eine unverhältnismäßige Erfassung des E-Mail-Verkehrs zur Folge gehabt. Der Kläger hat deshalb beim erstinstanzlich zuständigen Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben und die Feststellung beantragt, dass der Bundesnachrichtendienst durch die strategische Telekommunikationsüberwachung im Jahre 2010 insbesondere bezogen auf den E-Mail-Verkehr sein Fernmeldegeheimnis verletzt hat.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Nach der Verwaltungsgerichtsordnung muss die Feststellungsklage sich auf einen konkreten, gerade den Kläger betreffenden Sachverhalt beziehen. Mit der Feststellungsklage kann nicht allgemein, also losgelöst von einer eigenen, konkret feststehenden Betroffenheit die Rechtmäßigkeit behördlicher Maßnahmen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugeführt werden. Die erhobene Feststellungsklage wäre deshalb nur zulässig gewesen, wenn der Telekommunikationsverkehr des Klägers, insbesondere sein E-Mail-Verkehr im Jahre 2010 im Zuge der strategischen Telekommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst tatsächlich erfasst worden wäre. Hingegen genügt es nicht, wenn sich nur die Möglichkeit nicht ausschließen lässt, dass auch von ihm versandte oder an ihn gerichtete E-Mails von der Überwachung erfasst waren. Dass der E-Mail-Verkehr des Klägers im Jahre 2010 von der strategischen Telekommunikationsüberwachung tatsächlich erfasst war, hat das Bundesverwaltungsgericht nicht feststellen können. Die Wahrscheinlichkeit einer Erfassung des Klägers war zudem begrenzt, weil die strategische Telekommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst fragmentarisch ist.
Aufgrund der einschlägigen Vorschriften des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, die für sich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind, sind alle 2010 erfassten, aber nachrichtendienstlich irrelevanten E-Mails, gelöscht. Dasselbe gilt für die Daten über die vorgeschriebene Protokollierung dieser Löschung. Zwar gerät ein Kläger durch die Heimlichkeit der Überwachung einerseits, die gesetzlichen Löschungsvorschriften andererseits in eine Beweisnot, für den Fall seiner tatsächlichen Betroffenheit diese belegen zu können. Dennoch ist es nicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise geboten, von dem Erfordernis abzusehen, dass die konkrete Betroffenheit des Klägers selbst als Voraussetzung einer zulässigen Klage feststehen muss. Weil sich die bloße Möglichkeit einer Betroffenheit schwerlich ausschließen lässt, würde damit letztlich eine allgemeine Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte eröffnet. Diese Kontrolle wird jedoch nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses schon durch die unabhängige und mit effektiven Kontrollbefugnissen ausgestattete G-10-Kommission des Bundestages gewährleistet.
Pressemitteilung Nr.35/2014 des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.05.2014